Undichtes Bootsgetriebe

Einleitung

Ein Schiffsantrieb besteht gewöhnlich aus zwei Hauptbaugruppen. Das ist zum einem der Schiffsmotor und zum anderen das Schiffswendegetriebe. Heute soll es um das Getriebe meines Bootes gehen. Bei der Übernahme des Bootes wurde ich vom Voreigner in verschiedene Besonderheiten eingewiesen. Zum Getriebe (Velvet BorgWarner) äußerte er sich nur hinsichtlich des Schaltgestänges, welches immer kontrolliert werden muss, ob alle Justierschrauben fest sind.

Über Undichtheiten am Getriebe wurde nicht geredet. Auf die Frage, weshalb das Öl-Wassergemisch in der Bilge gluckert, antwortete er, das wäre normal für ein Schiff. Nach Jahren der Erfahrung bin ich jetzt klüger und weiß, dass es keinesfalls so in der Bilge gluckern darf.

Als Ursachen für zu viel Flüssigkeit in der Bilge habe ich zwei wesentliche Faktoren ausgemacht:

  • Zum einen kann Seewasser über das Stevenrohr (da läuft die Antriebswelle drin) eindringen und deshalb muss das Stevenrohr regelmäßig abgeschmiert werden.
Stevenrohr mit Abschmierpresse
  • Zum anderen ist es aber das Hydraulikgetriebe, was permanent „inkontinent“ war.

Es verlor Hydrauliköl an unbekannten Stellen. Dadurch musste immer vor Fahrtantritt der Ölstand kontrolliert (was ja eigentlich richtig ist) und nachgefüllt werden. Und das notwendige Reinigen der Bilge nach der Fahrt ist auch nicht gerade Glückshormon-auslösend. Damit das teure Hydrauliköl nicht in das Bilgewasser tropft, habe ich eine Edelstahlschale unter das Getriebe gestellt.

Velvet Drive Borgwarner Schiffswendegetriebe

So konnte ich es wieder verwenden. Eine Dauerlösung war es jedoch nicht, sodass ich mich entschloss, „professionelle“ Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Teil 1 Reparaturversuche der „Profis“

Dazu überführte ich das Boot im September in eine Berliner Werft. Der Kostenvoranschlag hat mich vom Hocker gehauen: Ausbau Getriebe + Abdichten Getriebe + Einbau Getriebe + Ventileinstellung am Motor: rund 3.000 Euro. Weil das Boot nun einmal in Berlin in der Werft lag, habe ich gesagt „Augen zu und durch, es ist ja für einen guten Zweck“. Ich wollte einfach ein dichtes Getriebe haben. Heute bin ich auch an dieser Stelle klüger, denn der Preis war völlig überteuert. Nur zum Vergleich: Ein neues Getriebe kann man in Florida für ca. 4.900 Dollar inklusive Versand bestellen!

eBay Recherche zu Getriebe neu

Was war aber das Ergebnis meines Werftausfluges? Eine Rechnung über 3.000 Euro und trotzdem ein undichtes Getriebe, was ich jedoch wegen der Winterpause erst in der darauffolgenden Saison festgestellt habe. Und da war die Gewährleistungszeit vorbei und meine 3.000 Euro in den Berliner Werftsand gesetzt. Dass mein Glaube an die Professionalität von Werkstätten einen weiteren Knacks bekommen hat, ist wohl verständlich.

Zweiter Reparaturversuch durch einen anderen „Profi“

Mein Getriebe war also noch nicht dicht, es sabberte immer noch, trotz teurer „Abdichtung“ durch eine Berliner Werft. Deshalb machte ich mich wieder auf die Suche für „professionelle“ Hilfe. Diesmal wurde ich im Berliner Umland fündig und steuerte ein kleines Unternehmen an, welches sich auf Bootsservice spezialisiert hat. Weil es meine letzte Hoffnung auf professionelle Hilfe war, habe ich auch die absolut unfreundliche Kundenbehandlung durch die „Empfangsdame“ über mich ergehen lassen.

Zum vereinbarten Termin habe ich das Getriebe ausgebaut, weil der „Profi“ diese Arbeit „leider nicht machen kann“ und zum „Profi-Unternehmen“ transportiert. Nach vier Wochen mit mehrmaligen telefonischen Nachfragen und Bitten konnte ich endlich das Getriebe abholen und einbauen. Der Preis war diesmal moderat, ca. 300 € für Abdichtarbeiten. Allerdings hatte ich auch die Schwerarbeit der Demontage aus dem Schiff und Montage des Getriebes in das Schiff selbst auszuführen.

Was war aber das Ergebnis dieses Reparaturausfluges? Man erahnt es – wieder ein Fiasko. Und zwar richtig schlimm. Denn das Hydrauliköl tropfte nicht mehr wie früher gemächlich vor sich hin, sondern lief in Strömen aus dem Getriebe. Ich bestellte wegen der Reklamation den „Profi“ zur Begutachtung des Pfusches auf das Schiff. Er bestätigte auch, dass sein Versuch der Abdichtung völlig misslungen war. Auf meine Frage, wie es weitergeht, antwortete er, ich solle das Getriebe wieder zu ihm schaffen. Auf meine weitere Frage, wer denn für diese Kosten aufkommt und meinen Hinweis, dass das seine Pflicht wäre, diese Kosten zu tragen, antwortete er mir nur süffisant: Sie können mich ja verklagen! Ich habe darauf verzichtet, weitere Leistungen bei ihm in Anspruch zu nehmen.


Fazit

Hier ein positives Fazit zu ziehen, fällt schwer. Denn ein hoher Preis (der Berliner Werft) bedeutet keinesfalls auch hohe Qualität, wie uns immer als Verbraucher eingebläut wird. Hier wird sehr häufig der Kunde regelrecht betrogen. Zu diesem Schluss bin ich auch deshalb gekommen, weil ich den tatsächlichen Arbeitsaufwand für die in Frage kommenden Arbeitsschritte jetzt selbst kenne (siehe Teil 2 – Reparatur des Getriebes in Eigenregie) und auch die Materialkosten. Allerdings ist mir als Betriebswirt und Controller bewusst, dass die Unternehmen auch ihre Gemeinkosten und Gewinnanteil vom Kunden bezahlt bekommen müssen, sodass der Angebotspreis eines Unternehmens immer höher ausfallen muss, als wenn man die gleiche Arbeit „privat“ erledigt. Aber hier hat die Werft schamlos abgezockt.

Teil 2 Reparatur des Getriebes in Eigenregie

Beschaffung technischer Unterlagen

Nach den zwei misslungenen Versuchen, durch „professionelle Hilfe“ ein dichtes Getriebe zu bekommen, hatte ich mich entschlossen, es nun selbst zu versuchen. Dank dem Inter-Netz habe ich die benötigten technischen Unterlagen (Velvet Drive Service Manual) schnell gefunden.

Service Manual

Zwar ist alles in Englisch, aber die notwendigen Übersetzungen sind mit Hilfe von Google-Übersetzer (https://translate.google.de) zu erledigen – siehe Beispiel.

Beispiel für Übersetzung

Bestellung des Dichtungssatzes

Für diese Getriebe gibt es in den USA Dichtungsätze, sodass ich über eBay mir diesen gekauft habe.

Dichtungssatz aus den USA über eBay eingekauft

Da ich handwerklich fast immer alles allein erledige, also ohne dritte und vierte helfende Hand als Unterstützung, habe ich mir entsprechende Technik zugelegt, um die körperlich schwere Arbeit zu erleichtern. Immerhin wiegt das Hydraulikgetriebe 78 kg. Und die schleppt man nicht einfach mit „links und vierzig Fieber“ so rum. Also wurde ein Motorkran, ein Kettenflaschenzug und Elektroseilzug angeschafft.

Vorbereitung für den Getriebeausbau

Fertigung einer Kranbahn

Für den Ausbau und Einbau des Getriebes aus dem Boot habe ich zwei Kranbahnen geschweißt. Dazu habe ich Vierkantrohr mit den Trennschleifer geschlitzt.

Laufschienen für die Kranbahn aus geschlitzten Vierkantrohr

Die fertige Kranbahn für die Heckkajüte. Oben und unten  sind jeweils Schrauben zum Verspannen des Gerüstes an Decke und Boden.

fertige Kranbahn für die Heckkajüte

Ausbau des Getriebes

Eine Kranbahn wurde in der Heckkajüte aufgestellt, da sich das Getriebe dort im „Bootskeller“ befindet. Da muss es rausgehievt werden und das unter beengten Platzverhältnissen, sodass eine zweite Hilfsperson schlecht Platz finden würde.

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Getriebe am Flaschenzug

 Auf dieser Kranbahn habe ich das Getriebe mit dem Flaschenzug rausgehoben und mittels einer selbst gebauten Laufkatze nach Bootsmitte in das Steuerhaus befördert. Dort wurde es zunächst auf dem Boden abgesetzt.

Absetzen des Getriebes in Bootsmitte

Dann wurde die Laufkatze und der Flaschenzug an die zweite Kranbahn umgesetzt, die quer durch das Boot nach außen verläuft. Das Getriebe wurde wieder an die Ketten des Flaschenzuges angeschlagen und nach außen befördert.

Getriebe nach außen bewegt

Von da wurde es auf den Anhänger verladen und für die Abdichtungsarbeiten nach Hause gefahren.

Übersicht zum Zeitaufwand

  • Mein Zeitaufwand für den Ausbau des Getriebes: 2 Stunden –  in Worten: zwei Stunden !
  • Zeitbedarf der „Profis“ der Werft laut Rechnung: 15 Stunden-  in Worten: fünfzehn Stunden!!!
  • Mein Zeitbedarf für den Einbau des Getriebes: 3 Stunden
  • Zeitbedarf der „Profis“ der Werft laut Rechnung: 22 Stunden !!!
Auszug aus der Rechnung der reparierenden Berliner Werft

Ich denke, damit ist mein Ärger verständlich geworden.

Getriebe-Demontage und Fehlersuche

Mit der  Detaildarstellung des Getriebes kann man sich zunächst einen Überblick verschaffen, was man zu erwarten hat.

Explosivdarstellung des Getriebes

Das sieht schon mächtig gewaltig aus. Allerdings muss man es für Abdichtarbeiten nicht völlig zerlegen.

Es folgen einige Bilder von der Demontage.

  • Das Getriebe wird auf den Montagetisch befördert.
Getriebe auf Montagetisch
  • Zerlegen der Abtriebsseite des Getriebes, Glocke demontieren.
Getriebeglocke abgenommen
  • Außenring des Planetengetriebes abgenommen.
Außenring des Planentengetriebes abgenommen
  • Planetengetriebe demontiert.
Planentengetriebe entfernt
  • Steuerventil im eingebauten Zustand nach Demontage des Schalthebels. Hier liegt die eigentliche Ursache der Undichtigkeit des Getriebes, welche von keinem Profi gefunden wurde.
Steuerventil im eingebauten Zustand
  • Ausgebautes Steuerventil. Der Dichtring rechts ist die Ursache für jahrelange Undichtheit des Getriebes. Auf die Idee ist aber keine einzige Werkstatt gekommen. Der Dichtring ist ein Pfennigartikel.
Steuerventil ausgebaut
Montageanleitung Steuerventil

Das es genau an dieser Stelle undicht wird, ist leicht zu verstehen. Denn das Steuerventil ist fast die einzigste Stelle nach außen, an der der volle Hydrauliköldruck des Getriebes anliegt. Die anderen Dichtungen (außer Hydraulikpumpe an der Antriebsseite des Getriebes) haben diesen hohen Druck nicht auszuhalten. Diese Papierdichtungen muss man nur deshalb wechseln, weil sie bei der Demontage zerreißen.

Fazit

Nachdem ich den O-Ring gewechselt hatte, war „Ruhe im Schiff“. Wer ein ähnliches Problem an seinem Getriebe hat: Die Demontage dieses Steuerkolbens ist auch (mit ein paar Verkrampfungen) im eingebauten Zustand möglich. Das spart die Schwerarbeit des Aus- und Einbaus des Getriebes.